Max Seddig 1877-1963Die
Veröffentlichung dieser Biographie erfolgt mit ausdrücklicher Genehmigung von
Herrn Prof. Bethge, Mitautor des Buches: "Physiker und Astronomen in
Frankfurt", erschienen 1989. Die in diesem erschienene Biographie wurde
erstellt von Prof. Günter Haase, München.
Max Seddig, 1955
MAX SEDDIG wurde am 19. Februar 1877 in Crimmitschau in Sachsen
als Sohn des Telegraphenobersekretärs WILHELM SEDDIG und seiner Frau ELISE, geb.
KAHNERT geboren. In seiner Schulzeit am Thomas-Gymnasium in Leipzig erhielt er
eine grundlegende humanistische Bildung, die seine geistige Entwicklung
weiterhin prägte. Schon früh zeigte sich eine starke Neigung zur Mathematik und
zu den Naturwissenschaften, vor allem zur Physik, in der er sich nach dem Urteil
seiner Lehrer durch selbständiges ideenreiches Experimentieren besonders
hervortat.
An der Universität in Leipzig widmete er sich in den ersten
vier Semestern dem Studium der Medizin, das er durch Vorlesungen in Physik und
Mathematik ergänzte. Vom zunächst beabsichtigten Studium der Physik hielten ihn
die schlechten Berufsaussichten zurück, zumal er auf keinen Fall Gymnasiallehrer
werden wollte. Als er dann in Greifswald sein Studium fortsetzte, beeindruckten
ihn zwar die großen Vorlesungen von Geheimrat AUGUST BIER sehr, aber die Physik
erwies sich als stärker. Der Direktor des Physikalischen Instituts, der
Helmholtzschüler RICHARZ, erkannte SEDDIGS hervorragende experimentelle
Begabung, förderte ihn und gab ihm schon bald das Thema für die Doktorarbeit.
Als RICHARZ 1901 einen Ruf nach Marburg erhielt, übersiedelte SEDDIG mit ihm
dorthin.
1902 wurde SEDDIG in Marburg mit der Arbeit: "Darstellung des
Verlaufes der elektrischen Kraftlinien und insbesondere ihrer
Richtungsänderungen durch Dielektrika" promoviert (Ann. Phys. (4) 11 (1903)
815). Mit der Elektrostatik beschäftigte sich SEDDIG auch später noch mehrmals.
Es seien nur Untersuchungen (des Ballonfliegers SEDDIG) über "Elektrische Ladung
auf Ballonhüllen", Arbeiten über Aufladungen von Filmbahnen für photographische
Emulsionen und nach dem 2. Weltkrieg über Aufladung und bildmäßige Entladung von
xerographischen Schichten und über triboelektrische Effekte bei der
xerographischen Entwicklung genannt. Er bedauerte sehr, daß er bei allen seinen
Studien über elektrische Ladungen an Oberflächen von Dielektrika,
Sichtbarmachung von Ladungsbildern mit Hilfe von Pigmenten und
Entladungsphänomene an der Atmosphäre nicht auf die Idee der Xerographie oder
Elektrophotographie gekommen war. Er erkannte aber aus eigener Erfahrung das ihm
in der Kette noch fehlende Glied, das den "Funken" zur Erfindung erst
hervorbringen konnte.
SEDDIG blieb bis 1907 als Assistent in Marburg, wo er neue
Praktika einrichtete und RICHARZ als Vorlesungsassistent unterstützte. Neben der
Betreuung von Doktoranden und der Veröffentlichung einiger kleinerer Arbeiten
konnte er sich von 1904 an auf Anregung von RICHARZ auch seiner
Habilitationsarbeit widmen. Er habilitierte sich dann 1908 an der Akademie für
Sozial- und Handelswissenschaften in Frankfurt am Main mit der Arbeit: "Messung
der Temperaturabhängigkeit der Brownschen Molekularbewegung" (Phys. ZS 9 (1908)
465). RICHARZ spricht in seinem Gutachten von einer "Experimentaluntersuchung 1.
Ranges". RICHARD WACHSMUTH, der spätere erste Rektor der Johann Wolfgang
Goethe-Universität Frankfurt am Main, spricht als Experimentalphysiker "von
einer nach der experimentellen Seite hin ungewöhnlichen Produktivität des
Verfassers". SEDDIG wurde mit seiner Arbeit in der Reihe der Pioniere auf dem
Gebiet Perrin und The Svedberg gesehen. EINSTEIN schätzte die Arbeit vor allem
im Hinblick auf die mit großer Geschicklichkeit und Sorgfalt erreichte hohe
Meßgenauigkeit und die darin begründete Aussagekraft.
Noch im Jahre 1909 richtete SEDDIG in Räumen des Physikalischen
Vereins ein Laboratorium für wissenschaftliche Photographie ein. 1913 wurde
SEDDIG Abteilungsvorsteher. Bei der damals üblichen Honorierung von Assistenten
und Privatdozenten mußte SEDDIG zur Bestreitung seines Unterhaltes über etliche
Jahre eine beratende Tätigkeit in der Industrie ausüben. Dort hatte er auch
Gelegenheit, nach eigenen Ideen optische Geräte und spezielle Apparaturen bauen
zu lassen, die er als persönliches Besitztum für Forschung und Unterricht in
seine Abteilung einbrachte. in dieser für ihn wirtschaftlich schwierigen Zeit
erschütterte ihn im Jahre 1912 der Tod seiner ersten Frau zutiefst.
1989 kann man in Frankfurt am Main den 80. Jahrestag des ersten
akademischen Unterrichts in wissenschaftlicher Photographie zusammen mit dem in
der Welt begangenen 150. Jahrestag der Bekanntgabe der Daguerreschen Entdeckung
durch Arago in der Akademie in Paris feiern. Hier möge auch die Erinnerung
wachgerufen werden an die Daguerrefeier am 22. Juni 1949, bei der in Gegenwart
von namhaften Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in
Anwesenheit der Familie SCHLEUSSNER die Daguerrebüste vor dem Verwaltungsgebäude
der Firma Dr. C. A. SCHLEUSSNER eingeweiht wurde und SEDDIG als Vertreter der
Wissenschaft damals heilsame und ermutigende Worte für die Erneuerung und
Fortführung wissenschaftlich-photographischer Arbeit und für einen
schöpferischen Unternehmergeist sprach.
SEDDIGS Laboratorium für wissenschaftliche Photographie fand
überall in Deutschland hohe Anerkennung (SEDDIG, "Das Laboratorium für
wissenschaftliche Photographie und optische Projektion im Physikalischen
institut in Frankfurt am Main", Naumann's Druckerei, Frankfurt am Main 1914).
SEDDIG sah aber Optik und Photographie nur als Glieder einer allgemeinen
Nachrichtentechnik, in die auch elektrische und akustische Methoden
eingeschlossen werden sollten, die er zunächst nur in Vorlesungen und Seminaren
behandelte. Für das weiter gefaßte Konzept ergaben sich schon sehr bald mit dem
Beginn des 1. Weltkrieges Notwendigkeiten der Realisierung. Om physikalischen
institut der im Oktober 1914 feierlich eröffneten Universität Frankfurt am Main,
an der ihm 1915 der Titel eines Professors verliehen wurde, entwickelte SEDDIG
einen neuen Typ einer Elektronenröhre, die sich durch besonders hohe
Leistungsfähigkeit und Robustheit bei geringer Größe auszeichnete. Mit dieser
Röhre und einigem Zubehör stand SEDDIG in der Reihe der Pioniere der
Elektronenröhrenentwicklung ("Seddig-Röhre" im Deutschen Museum in München). Er
wurde 1916 vom Kriegsministerium beauftragt, in Würzburg eine Fabrik
einzurichten, in der Elektronenröhren für Sender und Verstärker bis zum
Kriegsende entwickelt und hergestellt wurden. Nach entsprechenden
Abwicklungsarbeiten baute SEDDIG am Physikalischen Institut eine Abteilung für
Nachrichtentechnik auf, die im wesentlichen mit von ihm selbst und vom damaligen
Reichswehrministerium zur Verfügung gestellten Geräten ausgestattet war. Die von
der Universität und von anderen Institutionen zunächst mit großem Erfolg
geführten Bemühungen, für SEDDIG ein Extraordinariat für seine Spezialgebiete
einzurichten, für das die Fakultät die Entscheidung bereits gefällt hatte und
für das Mittel schon bereitstanden, scheiterten infolge der Inflation, die in
den nächsten Jahren zu äußerster Sparsamkeit Zwang. Sein Freund CLEMENS SCHÄFER,
der Vertreter der theoretischen Physik an der Universität Breslau, wollte ihn
gern für den dortigen Lehrstuhl für angewandte Physik gewinnen. Die Fakultät
hatte SEDDIG schon auf die 1. Stelle ihrer Vorschlagsliste gesetzt. Es war aber
nur allzu verständlich, daß SEDDIG sich sehr stark an seine Institutsabteilung
in Frankfurt am Main gebunden fühlte, für deren Entstehung und Wachstum er so
viel Kraft eingesetzt hatte. So war es eine große Erleichterung und
Befriedigung, als SEDDIG 1933 zum ordentlichen Professor in Frankfurt am Main
ernannt wurde. Er erhielt mit der gleichzeitigen Ernennung zum Vorsteher der
Abteilung für Nachrichtenwesen den entsprechenden Lehrauftrag. 1935 wurde er zum
Direktor des Instituts für Angewandte Physik mit dem dazugehörigen Lehrauftrag
ernannt.
SEDDIG widmete sich in den folgenden Jahren dem Ausbau der
angewandten Physik in der oben genannten breiten KOnzeption. Alte Verbindungen
wurden neu geknüpft, so u. a. mit der Firma Leitz in Wetzlar, mit den Optischen
Werken JOSEF SCHNEIDER in Kreuznach, bei deren Gründung SEDDIG Pate stand, und
mit der Filmfabrik Dr. SCHLEUSSNER. Beide, J. SCHNEIDER und C. A. SCHLEUSSNER,
waren häufige Gäste des instituts sowohl als Lernende im Bereich Forschung und
Lehre als auch als anregende Diskussionspartner. Aus der Photochemie sei nur ein
Thema herausgegriffen: Die Anwendung von Ultraschall bei der Herstellung
hochauflösender, feinkörniger Emulsionen und bei der Feinkornentwicklung. H. J.
HEUSER widmete sich als Assistent einige Zeit dem Erschmelzen optischer Gläser
in hochfrequenten elektrischen Feldern zur Herstellung blasen- und
schlierenfreien Materials. Von der Optik her kamen mit Beginn des 2. Weltkrieges
neue Themen hinzu: Physik und Technik des Hochvakuums,
Hochvakuum-Aufdampftechnik, Grenzflächenphysik, Reflexionsminderung an Optischen
Systemen u. a. Das elektrische Nachrichtenwesen und insbesondere die
Hochfrequenztechnik wurde in den späten dreißiger Jahren in Vorlesungen,
Forschung und Praktika selbständig von dem Assistenten und dann habilitierten
Dozenten O. SCHÄFER vertreten, der sich in den Nachkriegsjahren mit großem
Erfolg dem jungen Gebiet der Regelungstechnik zuwandte, für das er ein beliebtes
und weit verbreitetes Lehrbuch schrieb, um schließlich an die Technische
Hochschule Aachen auf den entsprechenden Lehrstuhl berufen zu werden. Seinem
Assistenten G. HAASE gab SEDDIG die Möglichkeit, sich zu habilitieren und später
als Professor selbständig eine Abteilung für wissenschaftliche Photographie mit
Forschungslaboratorien und Praktika einzurichten und die Frankfurter Tradition
fortzuführen, die dann 1970 von F. GRANZER übernommen wurde, als HAASE einen Ruf
auf den Lehrstuhl für wissenschaftliche Photographie an der Technischen
Universität München annahm.
Aus dem weiten Feld der angewandten Physik ließen sich noch
etliche weitere Themen nennen, bei denen SEDDIG schöpferisch tätig war. Als
beispielhaft seien genannt die Zusammenarbeit mit der William G.
Kerckhoff-Stiftung (Thema: Kardiographie) in Bad Nauheim und mit dem Chef der
Kinderklinik an der Böttgerstraße (in Frankfurt), Prof. K. SCHEER, mit dem er
Geräte für die Milchbestrahlung zur Rachitisbekämpfung in den ersten
Nachkriegsjahren (1946-1950) entwickelte.
SEDDIGS Unterrichtsveranstaltungen hatten von Anfang an einen
eigenen Stil. Die konventionelle Vor"lesung" liebte er gar nicht. Wenn er
Vorlesungen hielt, waren sie mit Fragen und Diskussionen "gewürzt". Um diesen
Stil sinnvoll zu ermöglichen, stellte er für die Teilnahme hohe Ansprüche, die
er später auch dann nicht reduzierte, wenn nur ein kleiner Hörerkreis übrig
blieb oder wenn die Vorlesung aus diesem Grunde gar ausfallen mußte. An die
Stelle der Vorlesung trat das Seminar, in dem von den Mitarbeitern erhebliche
selbständige Vorarbeit gefordert wurde. Manche "Vorlesung" fand im
seminaristischen Stil am Arbeitsplatz eines Doktoranden statt.
Der eigene Arbeitsstil SEDDIGS in Forschung und Lehre und im
Umgang mit Kollegen und Mitarbeitern bewährte sich vielfach in besonders
schwierigen Situationen der Universität im Laufe ihres 75jährigen Lebens: im 1.
Weltkrieg, in der folgenden inflationszeit, in der Zeit des katastrophalen
wirtschaftlichen Niedergangs, in der politisch so gefahrvollen Zeit mit dem 2.
Weltkrieg und in der schweren Nachkriegszeit, als die Universität - wie große
Teile der Stadt - in Trümmern lag. Was die wirtschaftliche Situation betraf,
konnte SEDDIG durch seine erfolgreiche, Vertrauen schaffende kontinuierliche
Zusammenarbeit mit der industrie immer wieder einen erheblichen Beitrag zur
Regenerierung und Stabilisierung leisten. in den politisch so gefahrvollen
Jahren waren aber über die hohe fachliche Kompetenz hinaus noch ganz andere
persönliche Qualitäten ausschlaggebend, an deren Prägung auch die humanistische
Bildung mitwirkte, auf deren Hintergrund die naturwissenschaftliche Bildung
eigene Formen annahm. Die "Stammwurzeln" reichen bei SEDDIG tiefer. In 1.
Näherung können wir ein Bild benutzen, das EBERHARD BUCHWALD entwarf ("physik,
gleichung und gleichnis", Physik-Verlag, Mosbach 1967). In dem Descartesschen
Koordinatensystem, in das wir den Menschen setzen, schreiben wir an die x-Achse
"res extensa" (Mate- rie im weiten Sinne), an die y-Achse "res cogitans", aber:
"Das Seelische ist in diesem System verschwunden, Liebe und Haß, Glück und Leid,
die Schönheit und Kants moralisches Gesetz in uns". In der Ebene lebt der
"Fachmensch", der "Flächenmensch", der "oberflächliche Mensch". SEDDIG war ein
"mehrdimensionaler" Mensch. Er wußte um die Komplementarität von Gerechtigkeit
und Barmherzigkeit, ohne ihr wörtlichen Ausdruck zu geben, vor allem in den
erwähnten kritischen Jahren hatte er aus diesem Spannungsverhältnis heraus immer
wieder zu entscheiden. Er war entschiedener Gegner des Nationalsozialismus und
er verstand es, mit seinem zuweilen sarkastischen Humor unter Benutzung seiner
souveränen Beherrschung der alten Sprachen, seiner die Kollegen immer wieder
überraschenden Zitate aus Homers und Platos Werken und aus den Dichtungen der
römischen Satiriker in "kodierter" Form nur Eingeweihten verständliche
Wahrheiten auszusprechen. So saß manchmal schon vor Kriegsende ein - wie SEDDIG
sagte - "wunderlicher", sehr "heterogener" Kreis in seiner "Proletarskaya "
beisammen. Allen konnte er offenbar etwas Bedenkenswertes mitgeben. Nur in
kleinem Mitarbeiterkreis konnte eine Äußerung fallen wie. "Wir hören, daß wir in
einer großen Zeit leben, die mikroskopisch kleine wäre mir lieber". In einem
weiteren Kreis möglich war: "ich sage nichts, aber Gott hört mein Brummen".
SEDDIG war nicht fromm im konventionell konfessionellem Sinne,
aber wieviele religiös gegründete Gespräche haben wir in mancher Bombennacht und
bei manchem Tagesangriff im improvisierten Luftschutzraum geführt. Die Themen
ergaben sich von selbst, wenn Sinn und Unsinn menschlichen Tuns in solchen
Stunden bedacht wurden. Tief lagen bei allem Schmerz die Wurzeln für SEDDIGS Mut
und Tapferkeit, wenn nach dem Ende eines Bombenhagels die Blicke auf die
umfangreichen Brandherde und Trümmer ringsum, auf die Trümmer des eigenen Hauses
des Physikalischen Vereins und auf den leuchtend roten Himmel über der Stadt
fielen, wenn unverzüglich immer unter Lebensgefahr Rettungs- und
Bergungsmaßnahmen getroffen werden mußten. Die gleichen Tugenden waren
erforderlich, als der kämpfenden Truppe angehörende amerikanische Soldaten das
Gebäude des Physikalischen Vereins besetzten und SEDDIG, der allein im Hause
war, sie - mit der Maschinenpistole im Rücken - durch das Gebäude führen mußte.
Vor wieviel Schaden hat SEDDIG durch seinen Einsatz die Universität bewahren
können! Welches wertvolle Instrumentarium konnte er retten, das die frühe
Wiederaufnahme des Unterrichts erst ermöglichte! Der Physikalische Verein
ernannte SEDDIG zum Ehrenmitglied. Gleich nach der Besetzung gelang es SEDDIG,
das Vertrauen der amerikanischen Universitätsoffiziere zu gewinnen, das für den
Wiederaufbau, an dem SEDDIG als Prorektor der Universität und als Hausdekan
maßgeblichen Anteil hatte, von größter Bedeutung war. Ein solches Vertrauen war
auch nötig für den Anteil, der SEDDIG bei den angeordneten
Entnazifizierungsmaßnahmen übertragen wurde. Hier erlebte man wieder den
Humanisten im weiten Sinne des Wortes, der wieder in dem ihm vertrauten
Spannungsfeld zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit entscheiden mußte und so
das ihm geschenkte Vertrauen zum Wohle der Universität fortpflanzen konnte. Der
damalige Rektor, der Orthopäde G. HOHMANN, schrieb bei SEDDIGS Tode: "Ich habe
ihn sehr geliebt, und er hat mir und der Universität große Dienste getan in der
schlimmen Zeit... Ich werde ihn nicht vergessen. "
Zum Schluß muß noch etwas gesagt werden zu der legendären
"Proletarskaya", für viele "Asyl" in gefahrvoller Zeit und "Denk- und
Planungsstätte" in der Wiederaufbauzeit. Das könnte niemand treffender und
gefühlvoller zum Ausdruck bringen als es WILLY HARTNER im Uni-Report 1980
gelang: "Unmittelbar nach dem Einmarsch der Amerikaner, im Frühsommer 1945,
gingen unsere Gespräche weiter. Sie fanden zumeist statt in Professor SEDDIGS,
des neu ernannten Prorektors kombiniertem Wohn-, Arbeits-, Schlaf- und
Empfangszimmer ("Salon") im Keller des Instituts für angewandte Physik, von ihm,
dessen sarkastischer Humor in unseren Ohren noch nachklingt, "Proletarskaya"
getauft. Kein Fenster, eine Kerze oder Azetylenlampe auf dem Tisch,
Bunsenbrenner (wenn es Gas gab) als Heizung... dazu als Bewirtung gekochte...
Kartoffeln (wenn es sie gab) mit etwas Salz, Ersatzkaffee und an besonderen
Tagen selbstdestillierten Schnaps, den SEDDIG als "wahrscheinlich nicht giftig"
bezeichnete. Und all das eingehüllt in dichte Wolken von Rauch aus Zigarren
zweifelhafter Provenienz... In Proletarskaya also wurden die Pläne für den
Wiederaufbau der in Trümmern liegenden Naturwissenschaftlichen Institute... und
vieles andere geschmiedet".
Dr. PH. SIEDLER, der Vorsitzende des Physikalischen Vereins,
schrieb zu SEDDIGS Tode 1963: "Als dann die regelmäßigen Vorträge des
Physikalischen Vereins wieder beginnen konnten, gab es keinen, vor dem sich die
Vorstandsmitglieder der nun auch längst dahingegangene Dr. LUDWIG PROTZ und der
Verfasser dieses Nekrologes - nicht in seiner "Höhle", dem gemütlichen, mit
einem großen, zu Lebzeiten JOHANN SEBASTIAN BACHS entstandenen Portrait des
großen Meisters geschmückten Arbeitszimmer Seddigs ("Proletarskaya") im Keller
unseres Hauses trafen, um mit ihm alle wichtigen Angelegenheiten unseres Vereins
zu besprechen und seinen bewährten Rat einzuholen." 1949 erst, also in seinem
72. Lebensjahr begann SEDDIGS Ruhestandszeit. Sein opfervoller Einsatz für die
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main hatte seine Kräfte
verzehrt. Möge die Erinnerung an diesen verdienten Hochschullehrer und
großartigen Menschen der am 12. Mai 1963 im 87. Lebensjahr in Frankfurt am Main
starb, in der Geschichte der Universität lebendig bleiben.
Link zu seinen
Röhren >>hier
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